Mit Erlaubnis der Kundin möchte ich gerne anhand eines Einzelcoachings beschreiben, was möglich ist zu erkennen bzw. in unser Bewusstsein/Feld zurückzuholen. Die Kundin hat vor einiger Zeit ganz bewusst die Entscheidung getroffen an sich zu arbeiten. Der Drang dies zu tun kam vor allen Dingen mit Ihrer Hochzeit mit einem sehr liebevollen Mann und dem Wunsch selbst einmal Mutter zu werden. Sie berichtete, dass es Verhaltensweisen an ihr gibt, die sie nicht mag. Narzisstische Züge, Rollen, die sie einnimmt und sich dabei eigentlich gar nicht mehr sich selbst fühlt, teilweise zu viel Alkohol trinkt, beschuldigt und gaslightet, das Opfer spielt, neidisch ist und sehr oft einfach den Wunsch zu haben, im Mittelpunkt zu stehen und die impulsiven Wutausbrüche bzw. Emotionsentladungen. Dies allerdings nur im privaten Umfeld, nicht im beruflichen.
Wir haben vor einigen Monaten zu allererst einmal ein Flipchart gefüllt während wir erstmals hineingespürt und gesprochen haben – eine Kombination aus einem Genogramm, indem quasi ihr Familienbaum abgebildet wird und Vorfälle, Ereignisse, Besonderheiten, Gedankengänge, Gefühle, Symptome an den „Baum“ und rundherum notiert werden! Das Flipchart war am Ende ein wirklich vollgefülltes großes Blatt gespickt mit so viel Informationen, Farben, Pfeilen, Pünktchen, Verbindungslinien, Umkreisungen und Umrandungen, großen und kleinen Wörtern, wie es beim Lauschen aufs Blatt übertragen wurde. Als wir gemeinsam darauf blickten, galt es zunächst einmal durchzuatmen und es ohne Bewertung und Beurteilung wirken zu lassen. Das ist gar nicht so einfach, da das Kopfkino oder der Mindfuck in uns Menschen doch recht schnell lostritt.
„Viel“ war im Feld „Intensiv“, „etwas nicht Greifbares“ , „Wackeliges“, „Vernebeltes“, beim Blick auf das Flipchart.
Meine nächste Frage ist dann meistens „Was auf dem Flipchart zieht denn in diesem Moment jetzt Deine größte Aufmerksamkeit?“ Die Kundin konnte es sofort beantworten und das ist dann der nächste Schritt, indem wir genau mit dieser Thematik, Symptom oder
Person systemisch eintauchen, die sich an diesem Tag dann aktiv, präsent anfühlt bzw. zeigt.
So hangelten wir uns von Termin zu Termin durch die verschiedenen Prozesse, Thematiken durch. Die Kundin geht seither von einem Aha-Effekt zum nächsten, wie sie es selbst ausdrückt, empfindet teilweise die Offenbarungen und Erkenntnisse so, als ob sich etwas in
ihrem Hirn und Körper auf Zellebene verändert. Die Beziehung, die Verbindung mit ihrem Ehemann verändert sich, die Kommunikation wird offener, gewaltfreier, sachlicher. Dies sind oft die Worte meiner Kunden. Es gilt dies natürlich auch sacken zu lassen, sich Zeit zu nehmen, nicht davon auszugehen, dass es jetzt – nur weil etwas in unser Bewusstsein Einzug genommen hat – von heute auf morgen alles rund läuft, anders ist und immer so bleibt. Üben, endschleunigen, innehalten, atmen, das Mitgefühl und die Klarheit immer wieder einladen hilft hier sehr. Und der Wille! Der ist wichtig! Wenn wir unseren Willen, etwas in uns verändern zu wollen nicht ganz mit an Bord nehmen, dann stecken wir oftmals doch wieder unbewusst oder bewusst im Opferdasein, in der Projektion, Illusion, im Ego fest.
Meine Aufgabe als Coach ist hier auch zwischen den Terminen zur Verfügung zu stehen für Hilfestellung, Impulse, kurze Feedbacks, Erkenntnisausschüttungen, Abschieds- und Trauerprozesse, die damit einhergehen und natürlich in Momenten, in denen das Überbordende überhand zu nehmen scheint. Ich erlebe mich dann als die Raumhalterin für das was sich dann gerade befreit, loslösen und heilen möchte.
Eine Thematik, die bei unserem letzten Termin am deutlichsten herausstach war „das fette Grinsen“, das „Ego“. Meine Kundin beschrieb, dass sie quasi oftmals ein richtig unkontrolliertes fettes Grinsen verspürt und auch nichts dagegen unternehmen kann in diesem Moment – dies jedoch auch einhergeht mit dem Gefühl, dass es nicht zu ihr gehört und ihr das auch unangenehm ist. Das „fette Grinsen zeigte sich auch zuvor schon mehrmals deutlich während unseres Coachings an eigentlich „sehr unangebrachten“ Stellen/Momenten. Durch meine Erfahrungen als systemischer und Trauma-Coach und in der CranioSacralen Körperarbeit weiß ich, dass derartige Mimik, Symptome auch ein körperliches Ausagieren von einem Ereignis, etwas Gehaltenem, Verdecktem, quasi noch nicht Gewürdigtem im Feld einer Person sein kann. Auf Nachfragen, was denn gerade in Ihrem Körper geschieht, da ich ein fettes Grinsen wahrnahm bei meiner Kundin, konnte sie nichts sagen – es kam ein Zustand wie „blank“ dann immer augenblicklich sichtbar und fühlbar zum Vorschein. Was sie ganz klar sagen konnte, dass es einhergeht mit einem oftmals Gefühl von Überlegenheit, Arroganz, Gefühllosigkeit, Gleichgültigkeit und Taubheit.
Wann immer ich sie darauf ansprach, kam Übelkeit augenblicklich mit an Bord. Wo ist das Fulcrum hierfür?
Wir haben also das „Ego“ und das „fette Grinsen“ in Form einer Symptomaufstellung im Einzelcoaching durch Bodenanker ins Feld gebracht.
Es war von Anfang an so viel Übelkeit, Schwanken mit im Feld. Sowohl meine Kundin, als auch ich in der Vertretung hatten das Gefühl gleich brechen zu müssen (hier ist angemerkt, dass meine Kunden panische Angst vorm Erbrechen hat).
Im Grunde kann der erste Teil der Aufstellung so wiedergegeben werden, dass sich ein anstrengender Kampf um die Macht und Kontrolle zeigte. Narzissmus, Überschätzung, das Ego war so groß. Die Kundin fühlte alles im Griff zu haben, bis der Satz aus der Vertretung des Egos fiel „Du meinst, Du hast die Überhand und bist so mit Deinem Ego beschäftigt, dass Du gar nicht merkst, dass ich Dich so im Griff habe und Dich lenke und kontrolliere, besonders wenn Du in Deinem fetten Grinsen festhängst!“
Es kam plötzlich eine andere Dynamik mit rein, das fette Grinsen wich aus dem Gesicht der Kundin, Panik und Angst machte sich breit. Halt wurde an der Wand gesucht, ein unerträgliches Gefühl kam hoch, bedrückend, beklemmend.
Ich habe einen Bodenanker mit der Aufschrift „Der/Die/Das, um was es geht“ mit ins Feld geholt. D.h. es kann ein Mann, eine Frau oder ein Ereignis sein. Kaum auf dem Zettel getreten, hatte ich das Gefühl ich bin auf einem schwankenden Schiff und mir drehte sich alles im Rausch und ich bekam einen Fokus auf die blaue Wasserflasche, die auf dem Tisch stand und musste diese in die Mitte des Raumes stellen. Die Kundin erinnerte mich daran, dass der Vater ihrer Mutter unter Alkoholeinfluss ertrunken sei. Ausgesprochen sagte mein ganzer Körper, dass es gerade um diesen Menschen geht.
Und dann geschieht oftmals etwas mit mir als Coach, dass ich wie Bilder oder Wörter vor mein Auge erhalte oder Sätze oder intensive Gefühle wahrnehme, die aus einem ganz tiefen, sehr verborgenen Feld herausrufen – anders kann ich es nicht beschreiben, ich denke, es ist die Schamanin in mir, die bisher jeder Lehrer den ich hatte, in mir gesehen hat, ich aber keine explizite schamanische Ausbildung besitze. In der Vertretung dieses Mannes kam immer wieder „ich bin Vater von einem Sohn… mein Sohn…“ Die Kundin meinte jedoch, dass es nur ihre Mutter und eine Schwester gibt. „Bist Du Dir sicher? Hier kommt immer wieder ein Junge im Gefühl dieses Mannes…?“ Und plötzlich, nach einer Weile, hält die Kundin inne, reißt die Augen auf und meinte „Oh mein Gott, meine Mutter hatte ja einen größeren Bruder, der ist mit 2,5 Jahren im Fluss ertrunken, darüber wurde nie in unserer Familie gesprochen, der steht ja gar nicht im Genogramm, das wir erstellt haben, den habe ich total vergessen…!“
Uns durchschauerte es beide über den gesamten Körper als sie dies aussprach und ich switchte automatisch in Vertretung dieses kläglich ertrunkenen kleinen Jungen. Ich fühlte augenblicklich, dass ich in Vertretung jetzt gleich den Todeskampf dieses Onkels/Jungen durchleben werde vor meiner Kundin, um genau das ins Feld zu bringen, was bei ihr als Mensch zu toxischen, narzisstischen Zügen führte.
Warum ist das so? Meine Kundin hat mit dem Wunsch im Mittelpunkt zu stehen, ihrem Wesen sich über andere zu stellen, überlegen zu fühlen, ihre panische Angst vorm Erbrechen oder wackeligen Böden und und und… den verstorbenen Bruder ihrer Mutter gewürdigt, einen Platz gegeben. Das in der Familie nicht Verarbeitete, das große Trauma über das nicht gesprochen wurde aber wirkte, quasi durch Ihr toxisches Verhalten sichtbar im System gemacht.
Der Todeskampf war massiv, den der kleine Junge durchleben musste beim Ertrinken.
Wir haben diesem Onkel und dem heftigen Todeskampf einen Platz gegeben. Indem wir ihn sichtbar machen, ihn würdigen kann etwas heilen, kann sich das Feld der Kundin beruhigen. Im Fall meiner Kundin war es die Dynamik rund um das fette Grinsen und das Ego.
Wichtig sei zu erwähnen, dass der Junge dann seinen Platz zwischen der Mama meiner Kundin und der großen Schwester bekam. Und aus dieser beruhigte klaren richtigen Position heraus der Junge/Onkel ganz klar offenbarte, dass er mit einem riesen Ego geboren wurde und er dachte, dass er alles im Griff hat und als 2,5 Jähriger keine Grenzen gespürt hat und einfach ins Wasser gegangen ist mit dem Gefühl „ich kann schwimmen“.
Es kam im nächsten Schritt aus der Vertretung des Jungen/Onkels ein großes Danke, dass Du mich sichtbar gemacht hast an meine Kundin.
Der Vater dieses ertrunkenen Jungen ist 20 Jahre später seinem Sohn gefolgt und ertrunken, so massiv war es im Feld dieser Familie, dass es zu einem weiteren Tod geführt hat und der Vater seinem Sohn folgen musste. Meine Kundin offenbarte während unseres Coachings zum ersten Mal in aller Ehrlichkeit zu sich selbst, dass sie als junge Frau in der Schulzeit bewusst und gewollt in Aktionen den Tod herausgefordert hatte, weil sie die Aufmerksamkeit der Menschen und im Mittelpunkt stehen wollte zu dem damaligen Zeitpunkt. Sie hatte jedoch beinahe die Kontrolle verloren! Bei ihr ist es noch mal gut gegangen, aber sie trug das große Trauma der Familie in ihrem System weiter und hatte seit dieser Zeit Ängste entwickelt, die sie bis heute quälen.
Es darf sich jetzt beruhigen, es gilt wann immer das fette unangebrachte Grinsen oder das extreme Ego sich im Alltag zeigt, ganz bewusst innezuhalten und dem Onkel an seinem Platz zu sehen und bewusst den Ursprung hier zu verankern und zu würdigen. Es braucht Übung und Mitgefühl und Geduld sich selbst und dem Familiensystem gegenüber.
Die Kundin durchbricht seither ihre narzisstischen, toxischen und ich-bezogenen extremen Verhaltensweisen insbesondere innerhalb ihrer Partnerschaft und erlebt intensive Verbundenheit zu sich selbst und ihren Liebsten. Alkohol möchte sie gerade nicht mehr trinken.
Zum Schluss durfte Sie aus meiner Steine-Schatzkiste einen „Anker-Stein“ für ihren Onkel aussuchen. Der Stein, der aussah wie Wellen im Ozean wurde es. Der hat nun einen wundervollen Platz in Ihrem Zuhause gefunden und hilft in der nächsten Zeit innezuhalten, zu würdigen.
Platt, aber herrlich erleichtert und dankbar sind wir beide nach diesem Coaching auseinander gegangen.