Die Dynamik des verlorene Zwillings - Craniosacrale Säuglings- und Kinderbehandlung Lebens-Integrations-Prozess (LIP)

Alexandra Brand • 21. Juni 2021

Die Dynamik des verlorenen Zwillings
Craniosacrale Säuglings- und Kinderbehandlung / Lebens-Integrations-Prozess (LIP)

Jeder Säugling erlebt vor, während und nach der Geburt seine einzigartige Geschichte. Sie zeigt sich in den unterschiedlichen Stimmungen und dem Wohlergehen, in den Zellen, dem Gewebe und Flüssigkeitsfeld und im Nervensystem des Babys. Sie zeigt sich auch direkt beim Stillen, Schlafen und Essen, in der gesamten weiteren Entwicklung, in der Beziehung zu den Eltern und der Fähigkeit, emotionalen und physischen Kontakt erleben zu können.

Mit Empathie und Präsenz biete ich in den Craniosacralen Behandlungen einen geschützten Raum, in dem das Baby und seine Eltern ihre Geschichte erzählen und neue Erfahrungen machen können. Insbesondere geht es bei der Arbeit mit Säuglingen und Kindern um das Achten von Grenzen und um das Lernen neuer motorischer und vegetativer Muster. Je früher die Behandlung ansetzen kann, desto besser. Die Geburt, die bei den Säuglingen noch eine hervorragenden Platz einnimmt, spielt bei den älteren Kindern zwar oft eine große Rolle in Form von Ablösungs- und Verlustängsten, Schlafstörungen oder körperlichen Beschwerden – inzwischen haben die Kinder aber auch schon mehr erlebt: familäre und soziale Erfahrungen, Impfungen, Unfälle, Ernährungsgewohnheiten.

Bei älteren Kindern heisst es, behutsam um Erlaubnis zu fragen, Angebote zu machen wie ein Buch lesen, etwas trinken oder essen, Fingerspiele der Mutter, Spielsachen anbieten. Die Behandlung von Kleinkindern findet daher häufig im Sitzen oder auf dem Boden statt.

Für Säuglings- und Kleinkinderbehandlungen verwandelt sich mein Raum in eine Kuschel- und Spiellandschaft. Ich lade die Eltern ein, Kuscheldecke und Teddybär, eigene Spielsachen mitzubringen. Vertraute Gerüche und Dinge helfen dem Kind besser Vertrauen zu fassen.

Gerade bei der Arbeit mit Kindern und dem Thema Geburt und Schwangerschaft können sich unbewältigte familiäre Themen und Übertragungen zeigen, die nach Lösung rufen. Die Frage nach der Ressource im familären System ist von großer Bedeutung. Hier fließt meine langjährige Erfahrung als systemischer Coach mit hinein und ich bin sehr dankbar, dass ich zu Karen Spradley geführt wurde und bei ihr die Säuglings- und Kindercranioausbildung absolvieren durfte, da sie genau so arbeitet. Das Verständnis über Systemische Bindungs- und Grundmuster helfen mir bei meiner Arbeit bestimmte Konstellationen besser
Zu greifen, zu erkennen.

Ich möchte gerne heute meine Erfahrungen mit dem Thema der Zwillingsdynamik mit Euch teilen
. Warum das Thema Zwilling, weil es mich durch die gesamte Kindercranio- und Geburtserleben-Ausbildung begleitet hat. Und zum anderen, weil ich gerne schildern möchte, was sich in meiner Arbeit mit dem Lebens-Integrations-Prozess nach Wilfried Nelles (PDF anbei) zeigt, wenn es ein nicht erkanntes verlorenes Zwillingsgeschwister im Bauch der Mutter gab und weshalb jemand aus der Ordnung der Liebe als Folge herausfallen kann bzw. sein Leben lang auf der Suche sein kann und nicht so richtig bei sich ankommt bzw. ein Problem hat alleine zu sein oder gar in toxischen Beziehungen landet.

Eine Mutter kam mit ihren beiden Zwillingstöchtern, 14 Monate alt mit dem Wunsch nach der „Jüngeren“ zu schauen. Die beiden sind innerhalb weniger Minuten auf natürliche Weise zur Welt gekommen. Ärzte haben nun als nächsten Schritt vorgeschlagen, den geistigen Zustand der Kleinen zu überprüfen, weil diese mit 14 Monaten noch nicht krabbelte und auch nicht laufen konnte. Der Termin beim Neurologen stand schon fest, doch die Mutter hat aus einem inneren Impuls heraus einen Termin zur CranioSacralen Behandlung ausgemacht, weil ihr eine Freundin davon einmal von ihren guten Erfahrungen erzählte.
Es war spannend zu erleben  wie die Große sofort den Raum einnahm, herumlief, alles erkundete, Augenkontakt ganz selbstbewusst aufnahm, voll in ihrer Kraft sprudelte, die Spielzeuge in die Hand nahm, ihrer kleinen Schwester alles aus der Hand nahm, ihre Schwester ein wenig von der Mama drängte, als diese Nähe suchte. Während der Behandlung zeigte sich schnell eine Blockade im Körper der Jüngeren, so als ob sie sich noch nicht traut in ihre eigene Kraft zu kommen. Die Große war stark auf ihre Schwester fixiert und für einen Moment hatte sie ihre Schwierigkeiten damit, dass wir uns um ihre Schwester mehr kümmerten, die im Fokus war. Während der CranioSitzung laden wir ein, sich mit der inneren Gesundheit zu verbinden, schauen auf welcher Ebenen die Blockaden sind. Bei der Kleinen ging es darum, dass sie wohl im Bauch mehr gequetschter in der Ecke gedrängter lag und mehr die zurückgezogene war, die Stille, die Angepasstere, vom Körper her nicht so sehr bewegungsfähig. Es war sichtlich spürbar während der Sitzung als ihr Körper verstand, dass er anders weiter gehen darf. Anschluss an die Beweglichkeit, die Ressource. In dem Moment krabbelte die große Schwester an die Seite und fing plötzlich ganz von alleine ruhig mit einem Spielzeug an zu spielen. Es legte sich eine Stille über den Raum, die Kleine blieb ganz ruhig liegen, ließ sich anfassen, bewegen und innerhalb von 15 Minuten fing sie erstmals an zu krabbeln, stand auf und marschierte los und entdeckte mit einer neugefundenen Kraft den ganzen Raum. Es lässt mich jedes Mal ganz demütig sein in diesem heilsamen gnadenvollen Feld, in dem wirklich kleine große Wunder geschehen dürfen. Die Mutter konnte es nicht fassen und war sichtlich berührt und sprachlos. Die Kleine krabbelte hinüber, nahm sich ein Spielzeug und dann geschah eine neue Dynamik zwischen den Zwillingsschwestern. Die Große lief hinüber, um ihrer Schwester das Spielzeug abzunehmen und diese verteidigte es mit aller Kraft und behielt es. Die Große ließ ab und fing liebevoll mit ihrer Schwester an zu spielen. Herrlich!

Oftmals ist es so, dass eine Schwangerschaft mit Zwillingen beginnt und ein Zwilling stirbt. Oftmals wissen die Mamas und Papas nichts davon und manches Mal ist die Schwangerschaft fortgeschritten und das Zwillingsgeschwisterchen muss sogar tod geboren werden.
Es gibt so viele Dynamiken rund um das Wunder Zwilling.

Wilfried Nelles leitete einmal ein Seminar in China. Es kam eine Teilnehmerin in den Raum, die er zuerst für einen jungen Mann hielt. Diese junge Frau erklärte, dass sie kurz vor einer Geschlechtsoperation stünde, da sie ihr Leben lang das Gefühl hatte sie müsste eigentlich ein Mann sein, aber irgendwie sagt ihr eine innere Stimme, dass das auch nicht so richtig stimmt. Sie schien sichtlich sehr verwirrt und verzweifelt zu sein und hoffte auf Hilfe durch Wilfried Nelles, um hier Klarheit für sich zu erlangen vor diesen großen Schritt, der dann endgültig einen Mann aus ihr machen würde.
Es zeigte sich auf der Stufe 1 des LIPs ganz deutlich, dass die junge Frau nicht alleine war im Bauch ihrer Mutter, sondern dass sie ein Zwilling war und zwar mit einem Bruder. Die junge Frau hat ihr Leben lang nach ihrem Bruder gesucht, ihn vermisst, sich nie komplett gefühlt, es stimmte was nicht und bei ihr hat sich das so in ihrem Leben ausgedrückt, dass sie sich immer männlicher gab und sogar dabei war sich zu einem Mann umwandeln zu lassen, obwohl eine innere Stimme ihr doch sagte, dass da was nicht so ganz passt. In dem Moment als mit ihr gearbeitet wurde, das Erkennen, Wieder-Anschluss-nehmen an den Zwillingsbruder, dieser seinen Platz einnehmen durfte und gewürdigt wurde und zeitgleich sie als Frau in der Klarheit eines Zwillings in Verbindung mit sich selbst gehen konnte, ist alles abgefallen von ihr.

Ich selbst stand einmal auf der Stufe 1 als Vertreterin. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern als ich mich dorthin stellte. Augenblicklich fing ich an zu schwitzen und musste ständig hinter mich schauen, ich suchte etwas. Da es mir zu heiß wurde, zog ich meine Jacke aus und legte sie hinter mich. Ab diesem Moment konnte ich nur noch die Jacke fixieren und war wie gebunden. Die Jacke hat die „Rolle“ des Zwillings eingenommen. Das war mir als Vertreterin noch nicht bewusst am Anfang, doch das Gefühl, die Gewissheit wurde immer stärker und irgendwann habe ich ausgesprochen wie es mir ging und dass ich nur noch mit der „Jacke“ zusammen sein möchte. Der Leiter fragte die Teilnehmerin, ob Sie wüsste wie die Schwangerschaft war und sie bestätigte, dass sie ein Zwilling sei und ihr Zwillingsgeschwisterchen mit Ihr im Bauch war. Ab diesem Moment kam
die große Trauer, der Ablöseprozess, das Annehmen was war, die Anschlussnahme an die Kraft des Zwillings.

Oh, das war wirklich sehr berührend und tief. Der Lebens-Integrations-Prozess stärkt die Ressource in uns, lässt uns in Verbindung gehen mit dem was wir mitbringen, diese Ur-Essenz und manches Mal zeigt dieser Prozess ein Geschehen während der Schwangerschaft.


Es ist jedes Mal so eine Freude zu sehen, wie die Menschen so einen ganz anderen Gesichtsausdruck haben nach diesem Prozess. Er geht tief, sehr tief und es braucht viel Zeit, um das Erlebte zu integrieren und zu „verdauen“.

Im Erwachsenenalter lässt uns das Nichtwissen um einen Zwilling  oft in Beziehung uns selbst verlieren. Durch die Sehnsucht nach dem Zwilling gehen wir Beziehungen ein, die uns oftmals nicht guttun, haben Angst alleine zu sein, verharren in der Beziehung, weil dieser
Sog nach dieser symbiotischen Verbundenheit unbewusst so stark ist bis wir uns am Ende gar nicht mehr selbst spüren. Das kann passieren.

An meinen ersten Aufstellungswochenende nach Corona am 12.6.durfte ich jemanden mit dem Thema Beziehung durch diesen Prozess führen. Es geht im Grunde immer darum die eigenen Ressourcen zu stärken und hier Anschluss zu nehmen, um die Klarheit zu erlangen, warum man sich in einer toxischen Beziehung befindet und da irgendwie nicht herausfindet. Im Eingangsgespräch schlug ich vor, den Lebens-Integrations-Prozess zu durchlaufen, um als ersten Schritt wirklich zunächst einmal die Verbindung zu sich selbst zu stärken, zur eigenen Kraft und Ressource , um dann im Hier und Jetzt als erwachsener Mensch die tieferliegende Dynamik zu erkennen.

Aus dem wissenden Feld heraus kam eine große Traurigkeit auf der Stufe 1, gepaart mit Verwirrung. Aus diesem Feld heraus bekomme ich als Aufstellungsleiter manches Mal ganz deutlich Impulse, Bilder. Da es mir sehr am Herzen liegt, behutsam, nicht direktiv zu sein, die Grenzen zu achten bin ich eine ganze Zeit lang weiter gegangen, doch die „Zwillingsdynamik“ wurde hier immer präsenter. Es gibt eine Möglichkeit es auszuprobieren, um zu schauen, ob man hier auf dem richtigen Pfad der Lösung ist. Also habe ich verdeckt ein Yogakissen als Vertretung eines Zwillings erst einmal hinter die Stellvertretung auf Stufe 1 gelegt, um zu schauen, ob dies etwas verändert. Wenn es sich als den richtigen Pfad erweist, merkt man es
vor allen Dingen an den augenblicklichen Reaktionen der Vertreter und wie es mit den Teilnehmern in Resonanz geht. Dies war hier der Fall. Wir hatten Gänsehaut über den ganzen Körper als das Wort Zwilling fiel und von da an durfte ein tiefer Trauer-Heilungs-Anschlussnahme-Prozess um den verlorenen Zwilling beginnen.

Und ja, da darf dann auch durch das „jetzt verstehe ich…- Gefühl“ auch die Frustration, die Wut, die Traurigkeit, die Verzweiflung und Erschöpfung um „es hätte vieles so viel einfacher sein können…“ sich zeigen. Es gilt die Sehnsucht, das Nicht-Alleine-Sein-Können klar in der Verbindung mit dem Zwilling zu integrieren, ganz zu sehen. So ein Prozess braucht Zeit, viel Zeit, viel Selbstfürsorge. Die Vertreterin auf Stufe 2 hat den Prozess der sich auf Stufe 1 zeigte gespürt und quasi schon als das Kleinkind angefangen mit zu integrieren, doch da sind wir nicht weitergegangen, denn Entschleunigung, ein Schritt nach dem Anderen ist hier wichtig.

Ich ermutige immer Eltern Ihren Kindern zu erzählen, wenn diese ein Zwillingsgeschwisterchen haben, das nicht mehr lebt oder wenn vor Ihnen ein Geschwisterchen gegangen ist. „Wie und wann sage ich das dem Kind?“ ist dann oftmals die Frage, die Sorge meiner Kunden. Dann lade ich ein, das
verlorene Kind zunächst einmal ganz bewusst mit ins Bewusstseinsfeld zu nehmen, vielleicht noch einmal ein kleines Ritual zu machen oder einen schönen Stein in der Natur finden. Im Herzen erst einmal im Stillen, doch jetzt mit mehr Bewusstheit in der Familie zu sehen, zu spüren als Teil davon. Dadurch öffnet sich das Feld und der Moment wird kommen, indem es klar ist, dass jetzt der richtige Moment ist darüber zu sprechen und ich vertraue, dass Mama/Papa hier die richtigen Worte finden. Schön ist es, wenn ich genau solch ein Feedback der Eltern erhalte. 

Meine verlorenen Zwillinge Eliaz und Ivy haben mich zur Famililenaufstellung geführt damals. Die Geschichte hierzu mit meiner Tochter beschreibe ich auf
mein Weg . Meiner Tochter habe ich dies zum richtigen Zeitpunkt erzählt. Als mein Sohn 2,5 Jahre war, saß er hinten im Auto, wir sangen gerade Mantren gemeinsam und dann meinte er plötzlich „Mama, ich habe schon immer das Gefühl, das ich einen großen Bruder habe!“ Ja, und das war der richtige Zeitpunkt für mich als Mama dann auch meinem Sohn von seinem großen Bruder zu erzählen, der nicht geboren wurde. Er hat geweint, um dann gleich wieder mit mir weiterzusingen. Er ist die Wochen danach herumgelaufen und hat viele Menschen darüber informiert, dass er ja einen großen Bruder hat, der im Himmel ist. Es sprach so viel Klarheit und Kraft und Verbundenheit zu sich und zu Eliaz aus ihm – puh, ich war jedes Mal ganz berührt und musste aufpassen, dass ich nicht los weine vor Berührung…

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